18/07/2021 Leichter

Nach dem Aufräumen blicke ich voller Zufriedenheit auf die frei gewordenen Qubikzentimeter. Beim Ausmisten sehe ich diese als prall gefüllten Beutel sogar vor mir. Das Gefühl, dass sich einstellt, ist das Gefühl von Leichtigkeit. Danach suche ich gerade immer mehr. Es ist mir ein Vergnügen Sträucher und Blumen von welken Blättern zu befreien. Als würde ich eine gewisse Ordnung wieder herstellen. Beim Gedanken an die halb vollen Kartons im Keller juckt es mir in den Fingern. Doch das kommt nach dem Urlaub. Wenn ich unterwegs im Reisekoffer feststelle, noch nicht einmal alle Outfits zu brauchen, kommt mir der Gedanke, meinen Kleiderschrank erneut durchzusehen.

Doch woher kommt diese Suche nach Leichtigkeit und Ordnung? Es ist der Wunsch, mit leichterem Gepäck noch vorne zu gehen. Ich möchte die Last meiner schwersten Wochen nicht vergessen, wohl aber die Schwere abschütteln. Ich sehe in eine Vision voller Wachstum und neu gewonnener Stärke. Zwar möchte ich die Dunkelheit nicht ausblenden wie ein übersprungenes Kapitel, doch ich möchte auch nicht ständig an sie erinnert werden. Es gehört zu jeder chronischen Krankheit dazu, dass man sich vor einem neuen Schub, einem neuen Tief fürchtet. In meinem Fall gibt es ein Medikament, dass mich davor bewahrt. Ich darf darauf vertrauen, dass es hell weitergeht. Die Angst folglich loslassen ist ein realistischer Wunsch.
Ich denke, hier liegt der Kern meines Bedürfnisses nach leichtem Gepäck. Was hinter mir liegt bleibt. Es reicht an existentiellen Erlebnissen für drei Leben. Um genau zu sein: es sind vier Tode, die ich dank moderner Medizin übersprungen habe. Das reicht wirklich. Da wünsche ich mir einen unspektakulären Abgang in meinen Neunzigern, so altersbedingt und ohne Leid. Und bis dahin möchte ich das Leichte weiter suchen und finden.

Wenn ich durch die Räume streife, tanzt das Licht durch die Blätter auf den Eichenboden. Der Boden wirkt luftig und hell, gleichermaßen trägt er mich sicher. Ein solches Bild steht für meine Suche. Dazu gehört es, sich auf alles einzulassen, was kommt.