14/11/2020 Sein, nicht werden

Wie oft verirren wir uns in dem, was werden soll? Wie schnell übersehen wir, dass vieles, nach dem wir streben, bereits da ist oder in uns ist? Wann begreifen wir, das wir die Zukunft nie erreichen, da sie im Sein von heute liegt?
Ich stelle mir solche Fragen immer wieder gerne. Sie wecken die Dankbarkeit für alles was ist und spinnen die Vision weiter von allem, was ich in mein Leben einlade.

Vor Jahren war ich unzufrieden mit unserer Wohnsituation und meinem Job. Ich nahm ein neues Notizbuch und schrieb die Visionen für diese Bereiche auf. Wie muss es denn sein, damit ich zufrieden bin? Es waren die gesellschaftlich geschaffenen Vorbilder, die ich las. Ein Zuhause mit 120 qm und Blick ins Grün und dennoch in der Stadt (ab 700K € aktuell zu haben) und die Teilzeit-Führungsrolle mit 5K Monatseinkommen bei gleichzeitiger Balance im Familienleben. Ist klar! Also schrieb ich auf, welche Wünsche jeweils dahinter standen. Hinter diesen von Fremden gemalten Schablonen eines perfekten Lebensentwurfs. Mehr Raum zum Leben. Ausgleichende Ruhe in der Natur. Gute Verkehrsanbindung für Kunst&Kultur in der Stadt. Finanzen, die ruhig schlafen lassen und dabei einen guten Lebensstandard ermöglichen. Und nun schrieb ich auf, was ich davon alles bereits hatte. Erkenntnis: das Glück und die Zufriedenheit wächst nur bedingt mit den Quadratmetern. Und eine Vision mit 100 qm reicht auch. Den Ruheplatz kann ich mir auch in der jetzigen Wohnung gestalten. Wir können den Garten meiner Eltern genießen, die Parks vor der Tür und unseren Balkon und denen von Freunden. Ich bin in 15 Minuten in der Innenstadt statt in 40 Minuten von Außerhalb. Es gibt den Stadtpark, den Hirschpark und Alster und Elbe. Letztere ist im Sommer in Wedel wie Urlaub am Mittelmeer. Also fast.
Heute, Jahre später. Wir hoffen auf eine Tauschwohnung wenige hundert Meter entfernt. Alles darf bleiben. Die Schule, die geliebte Infrastruktur, die Jobs, die Wege zu Freunden. Nur die Garage würden wir gegen eine Tiefgarage am Haus tauschen. Mit Blick ins Grüne und in die Weite aus dem 3. Stock. Für uns hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass wir Zeit dank kurzer Wege mehr schätzen als Quadratmeter im Eigenheim. Also Bankheim für zwei Jahrzehnte bis es wirklich das Eigenheim ist. Eine reine Lifestyle-Entscheidung, die uns hoffentlich bald in die neuen Wände trägt. Vor meinem inneren Auge habe ich die Tauschwohnung schon eingerichtet. Ich wünsche mir eine einzige Tapete – an der Schlafzimmerdecke. Einen neuen Stuhl mit Charakter. Eine Sitzbank in der Küche. Am meisten aber freue ich mich auf das Gefühl im Neuen angekommen zu sein und mehr Luft zum Entfalten zu haben.

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