So oft bin ich über diese Brücke gegangen. Frisch verheiratet, schwanger, trauernd, wieder schwanger. Zuversichtlich, leicht, gebrochen und schwer. Zum Sonnenaufgang, im Regen, mitten in der Nacht. Gehend, joggend, schlendernd. Und wenn immer möglich halte ich mittig auf der Brücke und schaue mit dem Lauf des Kanals unter mir zum Horizont. Das Bild, das sich mir zeigt, ist so wechselhaft wie meine Stimmung. In Momenten der Schwere blicke ich gleichzeitig in die Vergangenheit hin zu helleren Tagen an genau diesem Ort. Und weiß, dass es auch wieder anders sein wird. Wenn es ganz schwer ist, gehe ich hinunter ans Ufer, dort wo der Steg ins Wasser ragt. Ich schließe die Augen, verbinde mich mit meiner inneren Kraft und schaue den Sonnenstrahlen zu, wie sie über die Blätter tanzen, Lichtschatten zaubern und in den seichten Wellen brechen.
Wenn ich reden muss, spaziere ich mit einer Freundin hinauf bis zur Quelle und wieder zurück zu einer der vielen Sonnenbänke. Im Fotorückblick eines jeden Jahres finden sich mindestens zwei Ansichten von hier. Jeder Fahrradweg wird hierüber den lauten Straßen vorgezogen.
Dieses grüne Band am Kanal, der im weiteren Verlauf die Alster trifft, macht urbanes Leben erst richtig lebenswert. Fern vom grauen Großstadtasphalt. Da kann kein Neubaugebiet im Umkreis für meinen persönlichen Geschmack mithalten. Und so bin ich froh über dieses Stück Heimat in der Hansestadt.