Wenn es um Erfolgsstorys im Business geht, so wird oft nach dem antreibenden Grund gefragt, der einen im positiven Sinn motiviert. „Was ist Dein Warum?“ – meines heißt Alice (*Name geändert zum Schutz der Hinterbliebenen).
Gleicher Ort, ähnliche Lebens-Geschichten, vor vielen Jahren auf der Krankenhausstation für Menschen mit Depressionen, wo ich auch in diesem Sommer gewesen bin. Déja vu!
Sie, Alice, schlank und mittelgroß eingehüllt in einer tollen, bunten weiten Strickjacke, geht mit einer Schale frisch gepulter Granatapfelkerne (vorher nimmt sie die Energie für diesen Extra-Aufwand?) durch den Essensraum. Dieses Bild hat sich in mein Gehirn eingebrannt – wie die Mona Lisa. Aber ohne Schutzglas davor. Nicht in Paris, sondern im nebligen November in Hamburg. Die Farbschichten bröckeln leicht. Es ist der erste Blick auf diesen weichen und doch energetischen Menschen. Am Ende wird sie tot sein. Nach einem Hin und Her zwischen Kliniken, Tagesklinik und Stationsaufenthalten hat Alice es nicht mehr ausgehalten. (( Vorsicht: TRIGGER)) Sich das Leben genommen. Noch heute sehe ich ihre Familie vor mir, die kleinere der zwei Töchter auf den Schultern des Papas freudig sitzend. Ich kannte ihn und seine kleinste Maus. Aus der Nachbarschaft. Das letzte Bild, das mein Gedächtnis von diesem Familienschicksal immer wieder hervor holt, ist der Papa mit der kleinen Maus auf den Schultern und zwei erwachsenen Freundinnen, die große Tochter mit zwei Freundinnen hinterher laufend Richtung Spielplatz. Es muss zeitlich der 2. oder 3. Todestag gewesen sein, den sie gemeinsam in der alten Umgebung (die Familie zog weg) verbrachten. Ein flüchtiger Blick zum Vater. Von ihm zu mir. Von mir zu ihm. Ich sehe zu meiner kleinen Familie. Wir gehen aneinander vorbei. Ich höre einen leisen Vorwurf, den es gar nicht gibt:„Wieso bist du noch hier, meine Frau aber nicht?“ . Das ist mein WARUM. Ich bleibe, lasse die Depression, die für 15% (ja, fünfzehn) der betroffenen Menschen tödlich endet, nicht gewinnen. Ich bleibe für mich, für mein Kind, meinen Mann, meine Eltern und Geschwister. Bleibe hier im Weltlichen, bei meinen Freunden. Und ich bleibe für Alice, die auch mir fehlt, und für ihre kleine Familie, die mit dieser unsagbar großen Lücke weitergeht. So wie ich. Stunde für Stunde, manchmal Tag für Tag und in guten Zeiten, wenn die Zeit wieder schneller läuft, Woche für Woche. Jahr für Jahr.