10/01/2021 Angst

Dieses starke, mächtige Gefühl, das aus deinem Unterbewusstsein an die Oberfläche schnellt und die innere Chemiebombe befeuert, die dich zu allem bereit sein lässt. Es durchfährt meinen Körper in einem Ruck. Direkt ohne Umwege vom Schlaf hin zu 120-prozentiger Alarmbereitschaft.

Das ist, was Angst mit mir macht. Das ist, was heute nacht um drei Uhr passierte und sich danach noch viermal wiederholte, als ich jeweils gerade wieder eingeschlafen war. Nur beim ersten Mal gab es einen Auslöser: meine Tochter hat nebenan etwas leidend geseufzt. Wohl nur ein schlechter Traum, sie war nicht einmal wach, als ich 3 Sekunden später und bis zur Decke voller Adrenalin bei ihr war. Was dann passierte war ein Muster. Eine Wiederholung dessen, was meine Urangst um mein Kind ausgelöst hatte. Ich könnte einfach sagen, dass die Reaktion ja als Elternteil normal sei, da kann man sich auch mal erschrecken. Ich könnte sagen, dass es in Ordnung sei und sicher nicht so schnell wieder kommt. Doch komme ich von einem anderen Weg, den ich lange nicht mehr angesehen habe. Es ist der Weg raus aus einer generalisierten Angststörung.

Mit genau diesen Schrecksekunden im Schlaf und in Angst um meine neugeborene Tochter wurde es mehr und mehr deutlich. Anfangs sagte ich mir noch, dass es nur verständlich sei, hatte ich doch nach dem Tod meines Sohnes endlich ein lebendes Kind Zuhause neben mir. Doch daraus wurde eine permanente Angespanntheit, mein vegetatives Nervensystem war Tokyo und New York zusammen – Tag und Nacht voller Leben, Licht und lärmenden Gedankenkarussellen. Ach was sag ich – wie der Hamburger Dom. Es dauerte nicht lange und Panikattacke kurz vor dem Tiefschlaf gesellten sich dazu.

Und an eben diesen Weg erinnert das Aufschrecken der letzten Nacht. Ich habe mich entschieden, das es mir keine Angst machen braucht, Angst gespürt zu haben. Ich durchbreche die Verbindung zum alten Erlebten, indem ich reflektiere, analysiere und es mit der Welt, mit euch, teile.

Das ist für mich schon der halbe Weg. Und jetzt lasse ich los, gebe die Sorge darum ab, halte die Dämonen auf Abstand – und mache weiter. Ohne Angst.

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