05/11/2021 Über morgen

Manchmal schlängelt sich eine bleiernde Schwere um mich, erzwingt den Stillstand und sieht mich fragend an. „Wo willst Du hin, wenn hinter Dir Fragen auf Antworten warten? Wie kannst Du an den nächsten Schritt denken, wenn Du den Weg hinter Dir noch nicht verstanden hast?

Ich fühle mich erdrückt von der Trauer, lasse meine Gedanken in ihr Schwarz färben und beginne Stillstand als logische Konsequenz zu verstehen. Die Kraft für Widerspruch schwindet und so gehe ich in die Knie. Wie zur Hölle konnte ich über morgen nachdenken, wenn ich doch auf den Trümmern meines Schicksals stehe?

16/10/2021 Home

Wenige Tage in der Ferne und das Gefühl einer anderen Welt tut sich auf. Dennoch: In den eigenen vier Wände ist der einzige Ort, an dem ich mich „normal“ fühle und bewege.

23/09/2021 Spannung

Die Kühle der letzten Tage kriecht in meine Seele, angetrieben von etwas Wut und Trauer. Spätestens am Nachmittag fröstelt es mich regelrecht. Nach einer halben Stunde am Kaminfeuer ist die Wärme zurück. Die Emotionen wurden angeschaut, doch das getrübte Gefühl bleibt.
Gedanklich hänge ich dem Sommer nach, ärgere mich über die Notwendigkeit einer Jacke. Ich liebe den Herbst, seine Farben und Spaziergänge bei leichtem Wind. Aber noch nicht jetzt. Die Spannung zwischen innerem Befinden und dem Jahreswechsel im Außen wird noch etwas bleiben. Vielleicht steht es auch im Zusammenhang mit der Erkenntnis: vielleicht habe ich die Hälfte aller Sommer meines Lebens schon erlebt. So wäre es Wehmut, die bedrückend ist und dabei so nachvollziehbar. Die eigene Sterblichkeit im Bewusstsein schenkt intensives Erleben und Dankbarkeit für alles was ist. Gut möglich, dass dieser Sommer also einfach besonders schön gewesen ist.

Also male ich vielleicht schon morgen ein ebenso schönes Bild vom neuen Herbst.


11/09/2021 Leben in Bildern

Es gibt eine handvoll Bilder, die ich vor meinem inneren Auge auf die weiße Fläche namens Zukunft projiziere. Eines davon ist schon ziemlich alt, begleitet mich immer wieder in Tagträumen und hat mich einst aus den Klauen der Depression gezogen. Wissend, dass wir stets unsere eigene Realität vor unseren Augen erschaffen, hilft mir die Vision von etwas Neuem und Erstrebenswerten. Ich sehe tief in einen hellen Raum, dichte Nadelbäume vor der Fensterfront. Puristisch das Interieur, die Wärme der Familie spürbar und die Stimmen hörbar.

Doch was passiert, wenn eben diese Vision plötzlich eine reale Option ist? Wie groß ist das Bedürfnis nach diesem Bild, wenn es zuvor doch einer Utopie glich? In dieses Bild konnte ich fliehen, wenn mir die Realität zu viel oder zu wenig war. Würde das Heilsame verloren gehen, wenn die ausgemalte Zukunft vor mir steht?

Bei all diesen Überlegungen merke ich deutlich, dass das Unerreichbare große Freiheit beim Gestalten gibt. Während das Umsetzbare eine Verbindlichkeit einfordert, die zunächst überfordern kann.

30/08/2021 Life in circles

Sometimes, you are part of something that goes forward without gaining any progress. Literally, it is a trap, a bug in a hit-and-run video game or just a dead end.

Nothing left to say about it. I consist that I am stuck in a pause monitor. And I wait for an inner yes to continue. Until then, I will swim along the side rail of fake security.

29/08/2021 When it all comes down

All these years I have known that there will come the day when all unspoken troubles show up. Not as a friendly hello, hi there, but as the cold behind my shoulders. Now, it is here. With all these questions longing for answers. The moment we are confronted with uncontrolled situation, the auto pilot starts running. An automatic program of survival. The hour-by-hour, day-by-day sequences in which functioning is the only thought we have.

But it is not true. While doing things and planning the next ones, we seem to control the situation that we do not control at all. While writing these lines, I feel that the unexpected turn around is reality. I just do not know much about it.

That is exactly the reason why I made a decision right at the beginning of this tornado of events: to surrender. And by that I do not mean to give up in general. Just to give up the idea of control. Whatever is outside, it is caused there. I have neither the chance to heal others nor to cover up others’ wounds. I can only stay focused, listen for a while and give time and the necessary support.

12/08/2021 Sunflowers

Walking by a flower shop, we saw sunflowers named after our sky child. We brought them home, found a sunny place at the window. Within days, one after another dried out. This was the best that could have happened.

Chosen with love, brought to a warm home, cared for with sun and water, but dying within days. This was a perfect gift to remember and to be present in grief, 9 years after the loss of our first born child.

08/08/2021 Szene

Sie steht in diesem großen Raum. Eine Ausstellungshalle, drei Zimmer reihen sich hintereinander auf. Je tiefer sie hinein schreitet, desto dunkler wird ihr Umgebung. Sie fügt Gesprächsfetzen aneinander, bleibt stehen, wenn Schüler ihren Lehrern folgen. Es scheint, als würde jeder Einzelne an einer individuellen Antwort in Farbe, Ton oder Photolicht arbeiten. Sie selbst fühlt sich beim Betrachten der Arbeiten verloren. Auf der Suche nach einer eigenen Idee erscheint ihr ein längst verstorbener Freund. Die Weite der Halle wird von einem warmen Licht erfüllt. Inmitten dieser Szene schläft sie ein.

In ihrem Traum ist sie von einem immer währenden Duell im Spiel mit einer Konkurrentin erschöpft. Ein anschwellendes Krankheitsgefühl steigt auf, sie flüchtet über einen See ans andere Ufer, in das Bild einer dörflichen Idylle. Als willkommener Gast im Garten ist sie plötzlich Schülerin der weisen Generation, kocht Marmeladen ein, erfährt von gehüteten Rezepten. Sie wacht auf.

Es braucht lange Minuten, bis sie den Traum von der morgendlichen Realität abgrenzen kann. Sie verweilt in den Erinnerungen an existierende Personen aus diesem in der Nacht erfundenen Kontext. Die Suche nach logischen Verbindungen und versteckten Botschaften hält an.

02/08/2021 Neues Vertrauen

Man nennt sie A/B-Tests. Es werden zwei unterschiedliche Varianten eines Newsletters an Auswahlgruppen gesendet. Der Erfolgreichere geht dann an alle übrigen Empfänger. Nach diesem Marketing-Vorbild teste ich meine Reaktion. Kürzlich verlor ich eine Strickjacke auf dem Weg zum Skateplatz. Reaktion A – Wut auf mich, sofort den Weg absuchen, Kind enttäuscht. Wie fühlt es sich an? Reaktion B – Annehmen was ist, darauf vertrauen, dass die Jacke auf dem Rückweg wartet, zufriedenes Kind nach 1,5 Stunden skaten. Ich entschied mich für B und wurde nicht enttäuscht. Und darin lag der Zauber: annehmen und vertrauen war das Gegenteil von meinem gewohnten Verhalten nach solch einem Malheur. Es tat gut nicht in die Wut zu gehen und alles darin schlechter zu färben. Es tat gut, die Kontrolle über meine Reaktion zu haben. Es ist eine Entscheidung, immer. Hier erlaube ich mir, andere Möglichkeiten zu sehen und zu wählen. Ich bin ins Vertrauen gegangen. Klar, die Strickjacke hätte auch verloren sein können. Dann hätte wenigstens der Nachmittag beim Skaten stattgefunden.

Wer einmal erlebt hat wie das Urvertrauen erschüttert wurde, weil nichts mehr sicher war, der weiß, wie wichtig Neues Vertrauen ist. Kleine Momente wie diese speichern sich positiv ab und sind abrufbar, wenn sich neue Situationen auftun. Ich stehe gerade vor einer riesengroßen Entscheidung und bin dankbar für alle positiven Beispiele, in denen ich Mut hatte, ins Vertrauen zu gehen. Entschlossen gehe ich die nächsten Schritte in dieser Frage.

18/07/2021 Leichter

Nach dem Aufräumen blicke ich voller Zufriedenheit auf die frei gewordenen Qubikzentimeter. Beim Ausmisten sehe ich diese als prall gefüllten Beutel sogar vor mir. Das Gefühl, dass sich einstellt, ist das Gefühl von Leichtigkeit. Danach suche ich gerade immer mehr. Es ist mir ein Vergnügen Sträucher und Blumen von welken Blättern zu befreien. Als würde ich eine gewisse Ordnung wieder herstellen. Beim Gedanken an die halb vollen Kartons im Keller juckt es mir in den Fingern. Doch das kommt nach dem Urlaub. Wenn ich unterwegs im Reisekoffer feststelle, noch nicht einmal alle Outfits zu brauchen, kommt mir der Gedanke, meinen Kleiderschrank erneut durchzusehen.

Doch woher kommt diese Suche nach Leichtigkeit und Ordnung? Es ist der Wunsch, mit leichterem Gepäck noch vorne zu gehen. Ich möchte die Last meiner schwersten Wochen nicht vergessen, wohl aber die Schwere abschütteln. Ich sehe in eine Vision voller Wachstum und neu gewonnener Stärke. Zwar möchte ich die Dunkelheit nicht ausblenden wie ein übersprungenes Kapitel, doch ich möchte auch nicht ständig an sie erinnert werden. Es gehört zu jeder chronischen Krankheit dazu, dass man sich vor einem neuen Schub, einem neuen Tief fürchtet. In meinem Fall gibt es ein Medikament, dass mich davor bewahrt. Ich darf darauf vertrauen, dass es hell weitergeht. Die Angst folglich loslassen ist ein realistischer Wunsch.
Ich denke, hier liegt der Kern meines Bedürfnisses nach leichtem Gepäck. Was hinter mir liegt bleibt. Es reicht an existentiellen Erlebnissen für drei Leben. Um genau zu sein: es sind vier Tode, die ich dank moderner Medizin übersprungen habe. Das reicht wirklich. Da wünsche ich mir einen unspektakulären Abgang in meinen Neunzigern, so altersbedingt und ohne Leid. Und bis dahin möchte ich das Leichte weiter suchen und finden.

Wenn ich durch die Räume streife, tanzt das Licht durch die Blätter auf den Eichenboden. Der Boden wirkt luftig und hell, gleichermaßen trägt er mich sicher. Ein solches Bild steht für meine Suche. Dazu gehört es, sich auf alles einzulassen, was kommt.

10/07/2021 Referenzen

Wer kennt es nicht? “Vergleiche ich heute mit meinem Sein vor einem Jahr, dann … “. Oftmals halte ich gedanklich in besonderen Situationen inne, um mich später besser erinnern zu können. Diese selbst geschaffenen Referenzen hole ich dann hervor und gleiche ab. Was hat sich verändert, was ist leichter, was schwieriger?

Vor einem Jahr um diese Zeit hatte ich den ersten Krankenhausaufenthalt gerade hinter und den nächsten noch vor mir. Vieles zieht als alte Fotografie an mir vorbei. Ich sehe mich darin ohne mich zu fühlen. Zu schwer wiegt die ertragene Last auf mir. Vor einem Jahr war Zeit so zäh wie Dali Uhren malte. Heute freue ich mich über freie Zeit zum Lesen und Schreiben. Wie fühlt es sich an wieder Visionen auszulegen? Wie war es damals, als alles offen zu sein schien? Und wie stand ich innerlich still, als andere mich nach meinen Zielen fragten?
Der größte Unterschied ist, dass ich heute andere in meine Vision einbinde. Längst habe ich die Illusion losgelassen, alles allein tragen zu müssen. Zu großen Entscheidungen gehören ebenso Zweifel, die gehört werden wollen. Im Erzählfluss meldet sich die Intuition und weist in die neue Richtung. Alles, was meine Initiative stärkt, ist willkommen.

06/07/2021 Becoming

When I lay here. We invent stories written by the clouds above us. I see the shades of blue meet the horizon. We run slowly into the cold sea, soft waves around us.

This moment is becoming a memory for both of us. Right here, on a summer day. Feet in the sand, minds decluttered from daily life. Far away from routines, we expand time. Just here at the beach. Where other’s’ talks enrich the air, we become silent.

30/06/2021 Ruhe

Es sind die fehlenden Geräusche, wenn ich endlich in Ruhe mein Buch weiterlese. Zwei Stunden später bemerke ich, heute fast ausschließlich über mich nachgedacht zu haben statt für Andere zu sorgen. Eine gewisse Leere macht sich breit, ganz so als hätte ich verlernt in Ruhe sein zu können. Wenn die Arbeit getan ist und das Kind in den Ferien ohne Eltern, macht sich ein leerer Raum auf. Wie ein unbenutztes Hotelbett am Nachmittag. Ich klopfe, gehe vorsichtig hinein und stelle fest, allein zu sein. Mehr noch meine ich, niemand bemerke meine einsame Existenz. Im nächsten Moment freue ich mich über genau diese Situation, denn in wenigen Tagen wird es schon wieder laut und voll in meinen Tagen sein. Und dann werde ich über jede halbe Stunde in dem Raum meines Ichs, den ich selten so bewusst besuche, froh sein.

24/06/2021 With my eyes

I see the ocean in front of me. A clear blue surface, white foam is crawling towards the beach. I see my feet sinking into the sand.

What I do not see is the long distance the water came to me. What I cannot see is its depth.

Whenever you describe a situation from your own perspective, be aware, that this is only one possible way out of many. You never know where another person comes from, you will not see the deepness of the spoken words.

23/06/2021 Irrglaube

Ein Kleinkind, das seine Augen hinter seinen eigenen Händen versteckt, glaubt, unsichtbar zu sein. Ein Erwachsener, der seine Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, glaubt, nicht gesehen zu werden. Das Gegenteil ist der Fall. Vor allem, wenn der Himmel von Wolken verhängt ist, wenn niemand sonst im Radius von 500 Metern eine trägt und die Körpersprache umso deutlicher sagt: hier fühlt sich jemand unwohl. Fehl am Platz. Unsicherheit in jeder Bewegung, ruckartige Kopfbewegungen, angestrengt. Eine Aura der Ablehnung wabert in Richtungen, erzeugt Reaktionen.

Szenenwechsel. Einblicke in die Gedankenwelt meines Gegenübers. Verletzlichkeit und Schwere schwingen bei jedem Satz mit. Die Stimme wirkt zerbrechlich, an den Wortenden leicht schrill, erstickt von einem gestellten Lachen. Das Gesagte weckt meine Empathie, aufbauende Worte verlassen meinen Mund, um etwas von der Last des Gelebten aufzufangen. In den Augen zeigen sich Emotionen. Echte Gefühle unter der perfekten, heilen und inszenierten Welt. Ich erkenne mich in Teilen wieder und erkenne gleichzeitig die gesteigerte Intensität beim Gegenüber. Mir kommt der Gedanke, dass der Mensch den Austausch mit anderen braucht. Ich sehe, was passiert, wenn jemand das offene Reden verlernt hat…

..und wohin es führt, wenn das Schweigen lauter wird, als das von Hypothesen verworrene Selbstgespräch hinter den schwarzen Gläsern der Sonnenbrille.