Eben noch dachte ich, durch das Jahr 2021 galoppiert zu sein, während ich vom seitlichen Strick namens Pandemie ausgebremst wurde. Doch rückblickend ist es ein sehr leises und monotones Jahr gewesen. In diesem Jahr habe ich zwar weniger Hotelübernachtungen und Flüge storniert als im Jahr zuvor, doch gerade das Fehlen der ausgemalten, wenigen Reisen war in meinem Kopf laut wie nie.
Beim Durchblättern des frisch gedruckten Fotobuches diesen Jahres sind es die Auszeiten an Nord- und Ostsee gewesen, die als Fenster zu anderen Welten Hoffnung gaben. Ohne täglich in zwei bis drei Sprachen zu lesen, zu denken und zu reden, während ich versuche bekannte Worte in dem mich umgebenden Italienisch zu erkennen, hätte ich mich längst wieder deutsch statt europäisch gefühlt. Es ist die Lust auf Neues, nach der ich sehne. Dieses hörbare Herzklopfen im Landeanflug, die fremden Stimmen aus Bahnhofslautsprechern und die Goldfieber-Suche nach dem besten Frühstückscafé. Überhaupt Essen, Straßenschilder, historische Fassaden und der Reichtum an unbekannten Schätzen eines Ortes, den ich zum ersten Mal begehe – all das vermisse ich sehr.
Reiseerinnerungen halte ich schon immer besonders fest, kann auch kleine Dinge abrufen und mich neu darin verlieren. Beim Aufräumen, eine bewährte Übersprungshandlung bei mir, entdeckte ich zwei Fotos wieder. Also entwickelte Fotos zum Anfassen. Das erste hatte ich nicht bewusst aufgenommen. Ich erinnere mich sehr intensiv an diesen Moment in der Wüste. Wir fuhren vor dem Morgengrauen mit Geländewagen in der Sahara, bestiegen eine Sanddüne und warteten auf den Sonnenaufgang. Magisch, farbig leuchtend und so still. Diese Szene zeigt das Foto, welches ich direkt gerahmt und ins Fenster gestellt habe.
Das zweite Foto zeigt einen uralten, schwarzen Kaminofen in einem dänischen Gutshof. Drei Familien hatten sich dort getroffen, um gemeinsam ins neue Jahr zu feiern. Es lag Schnee auf den Feldern rund um diese alten Mauern unter Reet. Abends trafen wir uns im Kaminzimmer, der Ofen bollerte, und spielten, während die Erwachsenen redeten oder in einem Buch lasen. Eine behagliche Wärme verbinde ich mit diesem Foto, welches nun im Regal, direkt neben unserem schwarzen, modernen Kamin steht.
Und so sind es die gedanklichen Reisen in die Vergangenheit und das Ausmalen neuer Reisemomente, die mich kurz vergessen lassen, wie beschränkt die Möglichkeiten gerade sind auf dieser Welt.